
Forschungsgruppe will Bedingungen für Versuchstiere verbessern
Deutsche Forschungsgemeinschaft verlängert Millionenförderung für Projekt zu Tierversuchen
Tierversuche sind in der medizinischen Forschung mitunter nicht zu vermeiden. Bevor neue Medikamente oder Impfstoffe auf den Markt kommen, so wie gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, sind nicht nur viele grundlegende Erkenntnisse und biotechnologische Tüftelarbeit erforderlich.
Im Labor entwickelte Medikamente und Impfstoffkandidaten müssen vor ihrer Zulassung auch auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet werden – an freiwilligen Testpersonen, in der Phase zuvor aber an Tieren.
Um deren Dasein im Dienst der Wissenschaft so gut wie möglich zu gestalten, untersucht seit 2017 die Forschungsgruppe (FOR) 2591 „Belastungseinschätzung in der tierexperimentellen Forschung“ („Severity Assessment in Animal Based Research“), wie die Belastungen von Versuchstieren erkannt, verringert oder sogar ganz vermieden werden können.
Jetzt unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den Verbund aus sechs wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland unter der Leitung von Professor André Bleich, PhD, Leiter des Instituts für Versuchstierkunde und des Zentralen Tierlaboratoriums der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und Professor Dr. René Tolba, Direktor des Instituts für Versuchstierkunde an der Uniklinik RWTH Aachen, für weitere drei Jahre mit 5,9 Millionen Euro. Davon erhält die MHH mehr als eineinhalb Millionen Euro.
Wie misst man die Belastung?
In 13 wissenschaftlichen Einzelprojekten beschäftigt sich der Verbund damit, wie Schmerz, Stress oder bleibende Schäden bei Versuchstieren objektiv festgestellt und gemessen werden können. Ziel ist eine allgemeingültige, standardisierte Skala zu erstellen, mit der sich so unterschiedliche Messgrößen wie Körpertemperatur, Herzschlagrate oder Aktivität der Tiere beurteilen und vergleichen lassen.
Welche Messgrößen genau die besten sind, um Belastungen bei den Tieren zu erfassen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der ersten Förderperiode eingehend untersucht.
Außerdem wurden Formeln erstellt, mit denen aus den Messgrößen eine Aussage über den Schweregrad der Belastung abgeleitet werden kann. Weiterhin haben sie ein Konzept entwickelt, das die verschiedenen Messmethoden und Beobachtungen aus allen Einzelprojekten online erfasst und in einer Übersicht zusammenführt.
„Dieses System erlaubt uns erstmals, die Bedingungen für Versuchstiere überall nach denselben Maßstäben objektiv einschätzen und verbessern zu können“, erklärt Professor Bleich. In der zweiten Förderphase will sich die Forschungsgruppe vor allem mit der breiten Anwendung der Systeme beschäftigen.
Dafür sollen die Messgrößen automatisch erfasst und ausgewertet werden, ohne die Tiere zu stören. „Je schneller wir wissen, dass es einem Tier nicht gut geht, umso besser.“
Die Wissenschaftler wenden mit ihrem Vorhaben das „3R-Prinzip" zur Durchführung von Tierversuchen an. Es steht für „Replace" (Vermeiden von Tierversuchen durch das Finden alternativer Methoden), „Reduce" (Verringern der Zahl benötigter Tiere) und „Refine" (Verminderung der Belastung).
Die Ergebnisse, die mit den neuen Methoden erzielt werden, sollen mit den Belastungs-Schweregraden einhergehen, die in der Richtlinie des Europäischen Parlaments zum Schutz für Versuchstiere definiert sind. Die Forschergruppe will die Belastungseinschätzungen außer Wissenschaftlern auch Behörden und Gutachtern zur Verfügung stellen.
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