Studie Vögel in Deutschland: Ein Drittel der Brutvogelarten nimmt weiter ab

(24.10.2014) Die Situation der heimischen Brutvogelwelt hat sich seit Ende der 1990er Jahre spürbar verschlechtert: Jede dritte bei uns brü­tende Vogelart erlitt Bestandsrückgänge.

"In den letzten zwölf Jahren wiesen 26 Prozent der Arten moderat oder stark abnehmende Bestände auf. Zählt man die Arten mit leicht abnehmenden Beständen dazu, waren es sogar 34 Prozent.

Bundesamt für Naturschutz (BfN) Dies zeigt eine weitere Verschlechterung gegenüber den ebenfalls schon abnehmenden Bestandstrends der letzten 25 Jahre[i]", fasste die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Prof. Beate Jessel, die Situation zusammen.

248 einheimische Vogelarten brüteten in den letzten Jahren regelmäßig in Deutschland. Zusammen mit 13 ausgestorbenen und 24 unregelmäßig brütenden Arten sowie 20 regelmäßig brütenden Neozoen (dies sind Arten, die durch das Zutun des Menschen nach Deutschland gelangt sind) umfasst die Liste der Brutvögel derzeit insgesamt 305 Arten.

In Deutschland brüten jährlich 70-100 Millionen Vogelpaare. Diese entfallen zu 80 % auf 22 Arten; die häufigsten sind Buchfink, Amsel und Kohlmeise. Dies sind die Ergebnisse der Studie "Vögel in Deutschland 2013", die nun veröffentlicht worden sind.

Besorgniserregend: Die bestandsstarken und noch weit verbreitet vorkommenden Arten sind überproportional von den Rückgängen betroffen. Von den häufigen Brutvogelarten mit Beständen über 100 000 Paaren in Deutschland nahm in den letzten 25 Jahren nahezu jede zweite zumindest leicht, in vielen Fällen jedoch moderat oder sogar stark ab.

"Dass vor allem häufige und weit verbreitete Arten wie Feldlerche und Bluthänfling zu den Verlierern gehören, verdeutlicht den derzeit bundesweit feststellbaren Verlust der Artenvielfalt in der Normallandschaft" resümiert Bernd Hälterlein, Vorsitzender des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten.

Bei vielen seltenen oder selten gewordenen Arten wie Steinkauz oder Trauerseeschwalbe ist es gelungen, mit aufwändigen Artenhilfsmaßnahmen Erfolge zu erzielen und die Bestandssituation zu verbessern.

Die Schutzbemühungen greifen insbesondere, wenn kleine Rest­bestände oder teils sogar einzelne Individuen mit hohem Aufwand vor verschiedensten Bedrohungen geschützt werden. Bei den häufigeren Arten ist es bisher nicht gelungen, die einwirkenden Gefährdungsursachen in den Griff zu bekommen.

Die Herausgeber der Studie sind sich einig, dass für einen erfolgreichen Vogelschutz wirksamere Maßnahmen und Programme in der Fläche, also insbesondere in den land- und forstwirtschaftlich genutzten Teilen Deutschlands sowie im Siedlungsbereich erforderlich sind. Die Ausweisung und das Management von Schutzgebieten sowie gezielte Artenhilfsmaßnahmen flankieren einen derartigen Vogelschutz.

Überwinternde Wasservögel

Im Vergleich zu den Brutvögeln fällt die Bilanz bei den in Deutschland überwinternden Wasservögeln ins­gesamt positiver aus: Der Anteil an Arten und Unterarten mit stark oder moderat rückläufigen Beständen lag über 25 Jahre bei 15 %, weitere vier Prozent zeigten leichte Rückgänge.

28 % der Arten wiesen starke oder moderate, weitere fünf Prozent leichte Bestandszunahmen auf. Über die letzten zwölf Jahre zeigen sich ähnliche Anteile von Zu- und Abnahmen.

"Trotz der verhältnismäßig positiven Gesamtsituation besteht auch hier in einigen Fällen dringender Hand­lungsbedarf. Im Fokus stehen beispielsweise Zwergschwan, Waldsaatgans oder Eisente, die weltweit stark zurückgegangen sind und von denen erhebliche Populationsanteile in Deutschland überwintern" ergänzte Markus Nipkow als Geschäftsführer der staatlichen Vogelschutzwarten. "Die inter­nationalen Arten-Aktionspläne müssen deshalb vor allem in Deutschland konsequent umgesetzt werden."

Viele Arten zeigen im Winter einen positiveren Trend als unter Einbe­ziehung aller Jahreszeiten mit relevanten Rastbeständen. Eine wesentliche Ursache sind die überwiegend milden Winter der letzten Jahre, die zu einer zunehmenden Überwinterungsneigung führten - d.h., einer Verschiebung der Überwinterungsgebiete nach Nordosten.

Nur etwas mehr als ein Fünftel der in Deutschland regelmäßig während des Zuges auftretenden Wasservögel erreicht im Winter das Bestandsmaximum. Die positiveren Trends im Winter dürfen deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch für weitere Arten internationa­ler Handlungsbedarf besteht, insbesondere bei vielen für das Wattenmeer charakteristischen Arten.



Weitere Meldungen

EU-Kommission

Änderung der EU-Naturschutzrichtlinien: Schutz von 234 Vogelarten gefährdet

Am 8. Juni will die EU-Kommission beraten, ob sie die EU-Naturschutzrichtlinien ändert. Dabei geht es auch darum, ob bislang geschützte Tierarten wieder gejagt werden dürfen
Weiterlesen

NABU

2,8 Millionen Vögel sterben jährlich bei illegaler Jagd in Zypern

Im kleinen Land Zypern fallen jedes Jahr während des herbstlichen Vogelzuges etwa 2,8 Millionen Vögel dem illegalen Vogelfang zum Opfer, wie der NABU-Partner BirdLife Cyprus herausgefunden hat
Weiterlesen

 Bundesamt für Naturschutz

Dramatische Bestandsentwicklungen der Vögel in der Agrarlandschaft

Seit 1980 ist in der Europäischen Union jeder zweite Vogel in der Agrarlandschaft verloren gegangen
Weiterlesen

BirdLife

Jede siebte Vogelart weltweit gefährdet: Artenschwund vor allem durch Grünlandverlust

Jede siebte der weltweit lebenden Vogelarten ist gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Das ist das Ergebnis der am 7.6.2012 vorgestellten Roten Liste für alle Vogelarten der Erde
Weiterlesen

Kiebitz ; Bildquelle: Schweizerische Vogelwarte Sempach

Rote Liste der Brutvögel in der Schweiz

Die Situation der rund 200 Brutvogelarten der Schweiz hat sich seit 2000 nicht grundlegend verbessert
Weiterlesen

Dummy Bild

Wenig bekanntes Versuchstier: der Vogel, Tier des Monats September

Gut 10 Prozent der jährlich im Tierversuch verwendeten Wirbeltiere sind Vögel, vor allem Hühner und Wachteln
Weiterlesen

Anprall von Vögeln an Glasflächen

Zwei neue Untersuchungen der Wiener Umweltanwaltschaft. Seit über sieben Jahren beschäftigt sich die Wiener Umweltanwaltschaft mit dem Phänomen des Anpralles von Vögeln an Glasflächen. Es ist kaum bekannt, dass der Anprall an Glasflächen eine der häufigsten vom Menschen verursachte Todesursache bei Vögeln ist. Mit dem zunehmenden Einsatz von Glas in der Architektur gewinnt das Thema für den Tier- und Naturschutz immer mehr an Bedeutung
Weiterlesen

Bitte nicht retten!

Jedes Jahr im Frühling finden aufmerksame Spaziergänger und Naturfreunde vermeintlich elternlose Jungvögel und bringen diese in die Klinik für Zier- und Wildvögel der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen