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Allgemein

Symposium „Tierexperimentelle Forschung: Quo vadis?

Tierversuche in der Forschung werden in der Öffentlichkeit kontrovers und emotional diskutiert – die Wissenschaft selbst geht bei dem Thema weitestgehend in Deckung. Mit dem Symposium „Tierexperimentelle Forschung: Quo vadis?“ am 6. Juni wollte das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) dieser Debatte Raum schaffen.

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Sind Tierversuche überhaupt noch notwendig und wenn ja, wofür? Wie kann bessere Forschung die Zahl der Tierversuche reduzieren? Welche Alternativen stehen zur Verfügung? Wie lässt sich ausufernde behördliche Regulation vermeiden, ohne dass das Tierwohl eingeschränkt wird?

Und wie gelingt es zu verhindern, dass radikale Positionen die Debatte dominieren? Zehn Experten diskutierten gemeinsam mit Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden Württemberg.

„Es gibt kaum ein anderes wissenschaftliches Thema, das in der Öffentlichkeit so intensiv, kontrovers und emotional aufgeladen diskutiert wird wie Tierversuche. Ich freue mich daher, dass sich das DKFZ mit dieser Veranstaltung aus der Deckung wagt und eine Diskussion ohne Polarisierung ermöglicht“, so Theresia Bauer. Es sei wichtig, betonte die Ministerin, dass auch die kritische Öffentlichkeit erlebe, wie ernsthaft die Wissenschaft ihr Handeln abwäge. „Das Symposium am DKFZ ist ein willkommenes und selbstbewusstes Signal“, so Ministerin Bauer.

Bei den Tierversuchen geht es um ein klassisches Dilemma: Die Erkenntnis für den Menschen ist mit Belastungen für das Tier verbunden. Der derzeitige gesellschaftliche Konsens dazu sei, dass Tierversuche heute noch unverzichtbar sind, weil sie Rückschlüsse auf den Menschen erlauben und daher unter bestimmten Bedingungen ethisch vertretbar sind. Doch zunehmend sei die öffentliche Meinung durch die plakativen Positionen radikaler Gruppen geprägt, so Stefan Treue, Direktor des Deutschen Primatenzentrums und Vorsitzender von „Tierversuche verstehen“.

Treue kritisiert, dass die Wissenschaft dazu meist schweigt, in der Annahme, ohnehin kein Gehör zu finden oder wegen der oftmals hohen Komplexität der Themen nicht durchzudringen. Dies mache Medien besonders empfänglich für das Narrativ der radikalen Tierversuchsgegner, was nach Treues Auffassung einen Teufelskreis in Gang setze: „Wichtige Themen gehen unter, stattdessen konzentriert man sich auf hochgradig polarisierte Diskussionen.“ Wissenschaftler müssen sich daher wo immer möglich einbringen und damit ihrer Verantwortung für das Wohl von Menschen und Tieren, für den Forschungsfortschritt und nicht zuletzt für die Verwendung öffentlicher Mittel gerecht werden.

Hellmut Augustin, DKFZ und Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, erläutert am Beispiel Krebs die Rolle der Tierversuche in der Grundlagenforschung: Tumorzellen treten mit einer Vielzahl anderer Zellen und Geweben des Körpers in Wechselwirkung; Blutgefäße, das Immunsystem und die direkte Umgebung des Tumors spielen relevante Rollen bei der Erkrankung – diese Komplexität lasse sich nur in einem lebenden Organismus abbilden.

Forschung im DKFZ umfasse Untersuchungen an Molekülen, Tumorzellen und Organoiden in der Kulturschale, „Organs on a Chip“, computerbasierte Methoden sowie epidemiologische Studien – und eben Tierversuche. „Es gibt keinen Antagonismus der Modelle: Alles trägt gleichermaßen zum wissenschaftlichen Fortschritt bei“, so Augustin.

Doch insbesondere in der biomedizinischen Grundlagenforschung, so erklärt der studierte Tiermediziner, seien die Alternativmethoden noch nicht annähernd so weit, die Untersuchungen am lebenden Tier zu ersetzen.

Doch warum sind die Ergebnisse der Krankheits- und Therapieforschung häufig schlecht übertragbar? Augustin betont: „Nicht weniger, sondern bessere Tierexperimente werden die Therapieforschung voranbringen.“

Im Umgang mit Tieren sind Wissenschaftler in Deutschland der gesetzlich vorgeschriebenen „3R-Regel“ verpflichtet: Dieses Prinzip fordert, so wenig Tierversuche wie möglich durchzuführen (Reduction), durch Weiterentwicklung der Methoden die Belastung der Tiere zu verringern (Refinement) und, wo immer möglich, durch Alternativen zu ersetzen (Replacement).

Besonders „Refine” ist nach Meinung der Forscher geeignet, aussagekräftigere Forschungsergebnisse zu erzielen. Es sei wichtig, das 3R-Prinzip nicht als Restriktion zu sehen, sondern als Chance, bessere Tierversuche und damit bessere Forschung zu machen, sagt Stefan Hippenstiel, Leiter des „3R-Instituts“ an der Berliner Charité.

Mit Ressourcen Entwicklungen zu steuern, war ein Ziel bei Gründung dieser Einrichtung: „Für die kostenintensiven Tierversuche sind fixe Positionen im Haushalt der Forschungsorganisationen eingeplant, für die Entwicklung alternativer Methoden jedoch oftmals nicht.“

Gilbert Schönfelder, Leiter des Deutschen Zentrums für den Schutz von Versuchstieren, stellt das Melderegister für präklinische Studien als eine weitere Möglichkeit vor, bei bestimmten wissenschaftlichen Fragestellungen doppelte Untersuchungen zu vermeiden und so die Anzahl an Tierversuchen zu reduzieren. Seit Anfang 2019 steht das „Animal Study Registry“ weltweit allen Forschern offen, um jegliche Untersuchungen an Tieren zu registrieren.

In der Datenbank sieht Schönfelder auch einen vielversprechenden Ansatz, um einen Weg aus der „Reproduzierbarkeitskrise“ der Wissenschaft zu finden: Ein Eintrag trage dazu bei, dass auch negative Forschungsergebnisse veröffentlicht werden und verhindere, dass Versuchsanordnungen nachträglich zurechtgebogen werden. Damit erreiche man reproduzierbarere Ergebnisse, die auch die klinische Translation besser voranbringen.

„Papiertierschutz“ verlangsamt Forschungsfortschritt

Ein wesentlicher Kritikpunkt der tierexperimentellen Forscher ist seit langem die Verpflichtung, in Anträgen zur Genehmigung von Tierversuchen kleinste Details der geplanten Versuchsvorhaben über Jahre hinaus festlegen zu müssen – ohne dass dies mit verbessertem Tierschutz einhergeht.

„Ein Tierversuchs-Antrag vor 20 Jahren umfasste zehn Seiten, heute sind es mindestens 30 – hat sich damit für das Tierwohl irgendetwas verändert?“, fragt René Tolba, Leiter des Instituts für Versuchstierkunde der Universität Aachen.

„Papiertierschutz“ nennt Michael Baumann, der Vorstandvorsitzende des DKFZ, diese Praxis, und zitiert aus einem Positionspapier des DKFZ-Patientenbeirats: „Die Patienten fordern, dass wir für die Tiere optimale Bedingungen schaffen und „Refinement“ ernst nehmen, um besser übertragbare Ergebnisse zu erzielen. Was sie aber nicht wollen, ist ein formaler Tierschutz, der den Forschungsfortschritt verlangsamt.“

Klaus-Dieter Bremm, Leiter Animal Management, Bayer, berichtet, dass sein international tätiges Unternehmen erhebliche Unterschiede in der bürokratischen Praxis bemerke: Trotz der für alle geltenden EU-Richtlinie würden Anträge in Frankreich in zwei Wochen genehmigt, in Deutschland dagegen würde in einigen Bundesländern oftmals sogar die 40-tägige Frist überschritten.

Neben den Untersuchungen an Tieren in der Grundlagenforschung gibt es eine ganze Reihe von Tierversuchen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, etwa um die Sicherheit von Medikamenten oder Chemikalien zu prüfen. Sie machen etwa ein Fünftel aller Tierversuche aus.

Dazu zählen zum Beispiel die Tests im Rahmen der europäischen Verordnung zum Schutz vor schädlichen Chemikalien (REACH). Oberstes Ziel sei die Sicherheit des Menschen, berichtet Jochen vom Brocke, European Chemicals Agency (ECHA) Helsinki, doch seien Alternativen zum Tierversuch vorgeschrieben, wo immer möglich.

Die größte Einsparung von Tierversuchen wurde bisher dadurch erreicht, dass Wettbewerber gezwungen sind, bei der Prüfung von Stoffen zu kooperieren und dadurch Dopplungen von Tierversuchen zu vermeiden.

Klaus Dieter Bremm von Bayer ergänzt: „Wo bei der Arzneimittelentwicklung vor 30 Jahren noch jeder einzelne neue Wirkstoff im Tierversuch getestet wurde, durchlaufen solche Substanzen heute zunächst eine Vielzahl von in vitro und in silico-Tests, so dass am Ende nur noch wenige Substanzen tatsächlich am Tier geprüft werden müssen.“

Bremm betont, dass Bayer über 95 Prozent der Tierversuche unter den strengen europäischen Regularien durchführt und nicht in Länder mit niedrigeren Standards ausweicht. Obwohl dies durchaus eine Erleichterung wäre, würden doch beispielsweise Versuche an Ratten und Mäusen durch das US-amerikanische Tierschutzrecht nicht einmal erfasst.

Warum stehen gerade die etwa 2,8 Millionen Tiere, zumeist Mäuse und Ratten, die in Deutschland jährlich für wissenschaftliche Versuche eingesetzt werden, im Zentrum der öffentlichen Kritik? Das war eine der zentralen Fragen der Podiumsdiskussion zum Abschluss des Symposiums.

Denn demgegenüber stehen 765 Millionen Tiere – Geflügel, Rinder, Schweine – die als Nahrung für Menschen und Haustiere geschlachtet werden. Alle in der Forschung verwendeten Tiere machen zusammen nicht einmal 0,4 Prozent dieser Zahl aus.

„Es ist leicht, sich über Tierversuche zu empören – man ist moralisch und es kostet einen gar nichts“, erklärt Dagmar Borchers vom Institut für angewandte Philosophie der Universität Bremen. „Beim Thema Massentierhaltung sieht es gleich ganz anders aus: Viele Menschen essen sehr gern Fleisch. Da ist auch viel Scheinheiligkeit im Spiel.“

„Man darf aber nicht das eine mit dem anderen entschuldigen“, so die Philosophin. Sie empfiehlt den Forschern daher, sich nicht auf dem derzeitigen gesellschaftlichen Konsens auszuruhen: Tierschutz nehme in der Gesellschaft an Bedeutung zu. Ihr Rat an die Wissenschaftler ist, durchgehend zu signalisieren: „Wir sehen den ethischen Konflikt, wir nehmen ihn ernst und wägen unser Handeln sorgfältig ab.“

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