Fallbericht: Kater mit chronischer Gingivostomatitis
Lokale Behandlung mit felinem Omega-Interferon bei einer Katze mit feliner chronischer Gingivostomatitis
Guy Camy, DVM - Berater für orale und dentale Fälle an der École Nationale Vétérinaire de Toulouse ENVT
Vorbericht
Myosotis, ein 10 Jahre alter Europäischer Kurzhaarkater, wurde mit chronischer kaudaler Stomatitis vorgestellt. Die Besitzer lebten in einem Haus mit Garten, und die Katze hatte Freigang. Beim ersten Besuch war Myosotis in sehr schlechter Verfassung und wog weniger als 3 kg.
Sein Appetit war in den vergangenen Monaten stetig zurückgegangen Er litt zum Zeitpunkt der Konsultation aufgrund der starken Schmerzen beim Fressen an Anorexie. Beim Öffnen der Maulhöhle zeigten sich große Mengen an Zahnbelägen an allen Zähnen und dem Zahnfleisch sowie mehrere freiliegende Zähne.
Klinische Untersuchung
Die Rektaltemperatur war normal. Myosotis war aufgrund der fast vollständigen Anorexie dünn (extremer Gewichtsverlust) und zeigte sehr wenig Interesse an Futter. Die Maulhöhle war stark entzündet. Seine Aktivität (Spiel, Erkundung, Jagd) war eingeschränkt.
Weiterführende Untersuchungen
In Anbetracht des erhöhten Risikos einer Retroviruserkrankung dieses nicht kastrierten Katers mit Freigang, und unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik, wurde auf eine retrovirale Erkrankung untersucht. Myosotis war für beide getesteten Viren negativ (Snap® Combo Plus FIV/FeLV Test).
Behandlung
Schritt 1: Zahnreinigung und Extraktion
- Neben der Extraktion mehrerer Zähne wurden die Zähne auch gereinigt und poliert. Alle Prämolaren wurden entfernt.
- 5 Tage nach der Extraktion begann sich Myosotis’ Allgemeinzustand zu verbessern.
- Trotz weiterer Besserung wurde 1 Monat nach der Extraktion immer noch eine persistente Entzündung im Bereich des Prämolaren und der Palatoglossalregion beobachtet (Foto 1).
- Vor Einleitung einer zweiten Behandlung wurde ein Kontrolltermin vereinbart, um sicherzustellen, dass keine Läsionen an Zähnen oder Zahnfächern mehr vorlagen. Stellen ohne hot Spots (»kalte« Mukosa) wurden als Beleg für eine korrekte Zahnextraktion gewertet.
Stellen mit hot Spot (entzündete Mukosa) wurden zum Ausschluss von Zahnresten im Kiefer eine dentale Röntgenaufnahme angefertigt. In diesem speziellen Fall wurde ein hot Spot vorgefunden, und das verbliebene Stück eines Prämolaren musste entfernt werden.
- Eine Verlaufskontrolle wurde 2 Monate später vor Beginn der zweiten Behandlung durchgeführt. Diesmal wurden keine hot Spots mehr in der Maulhöhle gefunden.
- Da die Persistenz der entzündlichen und ulzerativen nekrotischen Läsionen eine feline chronische Gingivostomatitis durch FCV (Calicivirus) nahe legten, wurde ein Cytobrush-Abstrich der Oropharynxregion zwecks PCR-Analyse genommen. Das Ergebnis war für FCV positiv.
Schritt 2: Sub-mukosale Injektionen von felinem Omega-Interferon

- Trotz Fehlen von verbliebenen Zahnwurzeln oder Zahnfachproblemen persistierte die Entzündung. Da in der Maulhöhle Calicivirus vorlag, wurde eine Behandlung mit felinem Omega-Interferon initiiert.
- Die erste Behandlungsphase bestand aus 3 Serien von sub-mukosalen Injektionen im Abstand von je 15 Tagen.
- Die Injektionen des felinen Interferons wurden unter Kurznarkose durchgeführt.
In die Palatoglossalregion wurde auf beiden Seiten 1 ME rFeIFN-ω sehr oberflächlich unter die Mukosa injiziert, in mehreren kleinen Volumina rund um die Läsionen. Deshalb traten an den Rändern der meisten Entzündungsbezirke Papeln auf. Eine positive Entwicklung war nach der zweiten Behandlung wahrzunehmen (Foto 2).
Deshalb erhielt Myosotis eine dritte Infiltration: 2 ME insgesamt (2 x 1 MU) felines Interferon (Foto 3) im dazugehörigen Lösungsmittel gelöst (1 ml auf 10 ME) sowie eine Einzeldosis Antiphlogistikum (Metacam 0,2 ml s.c.).
Schritt 3: Orales »Spray« (Absorption durch die Mukosa) mit felinem Omega-Interferon
- Einen Monat nach der 3. Infiltration wurde rFeIFN-ω täglich in die Maulhöhle gegeben, wobei Vernebelungen der verdünnten Interferonlösung in einer Dosierung von 0,1 ME/Tag appliziert wurden.

- Das Spray wurde folgendermaßen hergestellt
Rehydration eines Fläschchens lyophilisiertes rFeIFN-ω in seinem Lösungsmittel (1 ml)
10 Aliquots von je 0,1 ml: jedes wurde in eine Insulinspritze abgefüllt (d. h. 1 ME pro Spritze)
9 der 10 Spritzen wurden im Gefrierschrank aufbewahrt (Haltbarkeit bis zu 6 Monate)
Die 10. Spritze wurde mit 5 ml steriler Kochsalzlösung (0,9 % NaCl) verdünnt, sodass eine Spritze mit 5 ml Lösung mit einem Gesamtgehalt von 1 ME rFeIFN-ω erhalten wurde.
Diese Spritze wurde im Kühlschrank bei +4 °C aufbewahrt (im Gefrierschrank wegen der Verdünnung mit 0,9 % NaCl nicht stabil)
Myosotis erhielt jeden Tag 0,5 ml dieser verdünnten Lösung (mit 0,1 ME) oral per Spritze ohne Nadel, als Spray, um die größtmögliche Ausbreitung der Lösung auf der Schleimhautoberfläche zu erreichen (mit dem Ziel der Absorption durch die Mukosa)
Die Spritze wurde bei 4 °C im Kühlschrank aufbewahrt und 10 Tage lang zu Behandlung von Myosotis verwendet.
Nach 10 Tagen wurde eine zweite Insulinspritze mit unverdünntem rFeIFN-ω aufgetaut, um auf dieselbe Weise eine neue verdünnte 5 ml-Lösung für weitere 10 Tage Behandlung herzustellen.
Derselbe Prozess wurde für die 10 Spritzen durchgeführt und ermöglichte eine Behandlungsdauer von insgesamt 100 Tagen.
Ergebnisse und weiterer Verlauf

Die Fotos 3 und 4 wurden jeweils 4 Monate und 7 Monate nach dem Behandlungsbeginn mit felinem Omega-Interferon gemacht.
Das Zahnfleisch gewann in der gesamten Maulhöhle seine natürliche rosa Farbe zurück. Nur ein kleiner Bereich links oben, der schon bei der ersten Konsultation am stärksten entzündet war, war immer noch entzündet.
Im Vergleich mit dem Ausgangszustand war diese Entzündung jedoch zu vernachlässigen und störte Myosotis nicht, der wieder normalen Appetit zeigte.
Beim letzten Besuch war Myosotis in gutem Zustand. Er wog 4,5 kg (er ist eine kleine Katze) und bedurfte keiner weiteren Behandlung einschließlich Antibiotika und Kortison. Heute, ein Jahr später, ist die Katze ohne jegliche Behandlung immer noch in guter Verfassung.
Schlussfolgerung

Bei dieser Fallstudie war die persistierende Entzündung in den 2 Monaten nach der Zahnextraktion vermutlich auf die Anwesenheit von Calicivirus im Palatoglossalbereich zurückzuführen. Der Einsatz von felinem Omega-Interferon ermöglichte hier zumindest die teilweise Kontrolle von Virusvermehrung und Entzündungsmediatoren.
Die lokale Wirksamkeit des Interferons, zunächst mittels submukosaler Injektion und später durch orale Vernebelung niedriger Dosen, erwies sich als interessante und wirksame therapeutische Option. Die Resultate sind als gut anzusehen, da die Läsionen stabilisiert werden konnten.
Bis heute, also fast ein Jahr nach der ersten Konsultation, benötigt die Katze weder Kortison noch Antibiotika.
Guy Camy – DVM
Berater für orale und dentale Fälle an der ENVT
(École Nationale Vétérinaire de Toulouse, Frankreich)
Clinique Vétérinaire, 12 Place Jean Moulin, 81300 Graulhet, Frankreich
e-mail: [email protected]
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Virbac Österreich.
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