Isotopenanalyse historischer Federn zeigt: Pirole überwintern da, wo es viel regnet

(17.08.2021) Die Fähigkeit, mit veränderten Umweltbedingungen klug umzugehen, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Arten mit dem Klimawandel zurechtkommen.

Durch die Analyse stabiler Isotope in historischen Federn aus den Jahren 1818 bis 1971 wies ein Wissenschaftsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) nun einen Zusammenhang zwischen der Wahl möglicher Überwinterungsgebiete des Pirols und der dortigen Niederschlagsmengen nach.


Eurasian Golden Oriole / Pirol (Oriolus oriolus)

Dieser Zusammenhang belegt eine Flexibilität der Pirole, aber auch deren Abhängigkeit von den Niederschlägen im Afrika südlich der Sahara – die sich mit dem Klimawandel und den damit verbundenen Prozessen der Wüstenbildung ändern könnten. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht.

Während ihres Zuges von Europa nach Afrika sind Zugvögel auf eine Abfolge geeigneter Habitate zur Rast, Nahrungsaufnahme und zum Überwintern angewiesen. Dies macht Langstreckenzüge besonders sensibel gegenüber sich ändernden Bedingungen. Deren Erforschung setzt eine genaue Kenntnis der Bedingungen, die diese komplexen Prozesse bestimmen, voraus.

Um die Überwinterungsgebiete des Pirols (Oriolus oriolus) im Afrika südlich der Sahara in den letzten 200 Jahren zu lokalisieren, hat ein Team von Wissenschaftler*innen um Dr. Stefania Milano und PD Dr. Christian Voigt von der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionäre Ökologie stabile Kohlenstoff-, Stickstoff- und Wasserstoff-Isotopenverhältnisse in Federn aus historischen Museumsammlungen und von heute lebenden Vögeln gemessen.

Die Isotopengehalte der Federn werden von jenem Ort bestimmt, an dem die Feder produziert wurde – dem Mausergebiet während der Überwinterung. Anschließend bleibt die Zusammensetzung unverändert erhalten und ermöglicht es der Wissenschaft, den Ort der Mauser der Vögel in Afrika auch noch nach Jahrhunderten zu lokalisieren.

„Wir haben anhand der Federisotopengehalte zwei Gruppen von Pirolen identifiziert und konnten sie verschiedenen Winterquartieren zuordnen“, sagt Hauptautorin Milano. „Die erste Gruppe überwinterte im südöstlichen Afrika, während sich die zweite Gruppe in Zentralafrika konzentrierte.“

Die historische Perspektive ermöglichte es dem Team zudem, die geografischen Daten mit langzeitlichen Veränderungen der Umweltbedingungen in Beziehung zu setzen. Sie fanden heraus, dass die Nutzung der beiden Überwinterungsgebiete im Laufe der Zeit variierte. So zogen beispielsweise von 1842 bis 1854 alle untersuchten Pirole in das südöstliche Afrika, während von 1920 bis 1948 fast 75 Prozent Zentralafrika zum Überwintern wählten.

„Statistische Analysen ergaben, dass diese Änderungen in Bezug zur Niederschlagsmenge in den jeweiligen Regionen standen“, erklärt Voigt.

„Je mehr Regen in einem Gebiet fiel, desto höher war der Anteil der dort überwinternden Pirole. Und noch wichtiger: Weniger Regen in Zentralafrika führte dazu, dass viel mehr Vögel bis ins südöstliche Afrika weiterflogen.“

Die Ergebnisse zeigen, dass die Niederschläge in den Überwinterungsgebieten südlich der Sahara für die Pirole in der Vergangenheit enorm wichtig waren. Veränderungen bei den Niederschlägen führten zu erheblichen Veränderungen in ihrem Zugverhalten.

Da Klimaprognosen für das tropische und subtropische Afrika darauf hindeuten, dass es in einigen Regionen trockenere Sommer geben wird, während in anderen Regionen intensivere Niederschläge zu erwarten sind, könnte die starke Abhängigkeit von hohen Niederschlägen die Pirole zwingen, ihre räumlichen Zugmuster noch weitaus stärker anzupassen.

Ein verändertes Überwinterungsverhalten der Vögel in Afrika könnte sich auch auf die Bestände in ihren Brutgebieten in Mittel- und Südeuropa sowie in Westasien auswirken.

Publikation

Milano S, Frahnert S, Hallau A, Töpfer T, Woog F, Voigt CC (2021): Isotope record tracks changes in historical wintering ranges of a passerine in sub-Saharan Africa. Global Change Biology. DOI: 10.1111/gcb.15794, 


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