Kaiserpinguine leben bis zu 600 Kilometer weiter nördlich als angenommen

(31.08.2022) Junge Kaiserpinguine aus der Atka-Bucht nahe der deutschen Neumayer-Station III in der Antarktis schwimmen in ihrem ersten Lebensjahr bis weit über den 50. südlichen Breitengrad nach Norden hinaus.

Somit sind sie durch bestehende und geplante Schutzgebiete und -maßnahmen nur unzureichend geschützt, berichten Forschende unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts in einer aktuellen Studie im Fachmagazin Royal Society Open Science.

Alfred-Wegener-Institut Kaiserpinguine stehen für die Antarktis wie kaum eine andere Art und spielen eine wichtige ökologische Rolle im Nahrungsnetz des Südlichen Ozeans.

Da letzterer unter anderem durch die Klimaerwärmung und Fischerei unter Druck gerät, gibt es Meeresschutzgebiete und Fischereiregulierung.

Die zuständigen Kommissionen beziehen für das Management bestehender und die Einrichtung neuer Schutzgebiete sowie die Festlegung von Fischereiquoten unter anderem die Ausbreitung der Vorkommen des Kaiserpinguins mit ein.

Diese basiert bisher überwiegend auf Beobachtungen erwachsener Tiere. Damit eine Art überleben kann, müssen jedoch alle Lebensphasen gute Bedingungen vorfinden.

Wie weit junge Kaiserpinguine nach Norden schwimmen, hat ein internationales Forschungsteam jetzt untersucht. Im Januar 2019 (antarktischer Sommer) statteten sie acht Jungtiere mit Sendern aus, die in der Folgezeit sechsmal täglich ihre Positionsdaten per Satellit übermittelten.

Die sogenannten Juvenilen sind im Südwinter 2018 in der Kaiserpinguin-Kolonie in der Atka-Bucht geschlüpft, nahe der deutschen Neumayer-Station III, die vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) betrieben wird.

Die Kaiserpinguine waren bei der Besenderung etwa sechs Monate alt und dabei, sich vom plüschigen hellgrauen Küken zum typischen Frackträger zu mausern.

Das überraschende Ergebnis der so aufgezeichneten Schwimmrouten: Alle Jungtiere hielten sich im antarktischen Winter (August) außerhalb des Ausmaßes des Vorkommens (Extent of Occurrence: EOO) auf, das die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (International Union for Conservation of Nature: IUCN) für die Art angibt. Einige der besenderten Kaiserpinguine waren zusätzlich sogar bis zu 1260 Kilometer von den vorgeschlagenen Schutzgebieten entfernt, so dass Kaiserpinguine in diesem Lebensstadium nur unzureichend geschützt würden, wenn nur das Schwimmverhalten adulter Tiere als Basis zur Definition der Schutzgebiete genommen wird.

Ein Vergleich mit weiteren wissenschaftlichen Studien an jungen Kaiserpinguinen anderer Kolonien in anderen Gebieten des Südozeans zeigte, dass auch deren Schwimmgebiete überwiegend außerhalb von Schutzgebieten liegen.

Somit zeigen die Ergebnisse der Forschenden an, dass das von der IUCN definierte EOO des Kaiserpinguins um das aktuelle Verbreitungsgebiet der Art vergrößert werden sollte.

Bestehende und geplante Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs) sind derzeit zu klein angelegt, da sie im Durchschnitt nur 10 ± 5 % der geschätzten Verbreitungsgebiete abdecken. Was die in Schutzgebieten verbrachte Zeit betrifft, so verließen junge Kaiserpinguine aus der Kolonie in der Atka-Bucht, die sich innerhalb des vorgeschlagenen MPA im Weddellmeer (WSMPA, das größte derzeit vorgeschlagene MPA im Südlichen Ozean) befindet, im Januar im Durchschnitt nach nur neun Tagen (± 4 Tagen) die Grenzen des MPA und blieben nur 10,6 ± 7,5 % ihrer Zeit innerhalb der Grenzen. Lediglich im Sommer (Januar und Dezember) verbrachten die Jungtiere einen nennenswerten Teil der Zeit innerhalb des vorgeschlagenen Weddellmeer-MPA (48 ± 24 % bzw. 31 ± 13 %).

Im Februar sowie von Juli bis November befand sich kein einziger der markierten Pinguine innerhalb der Grenzen dieses Schutzgebiets. „Unsere Daten verdeutlichen, dass strategische Schutzpläne für den Kaiserpinguin und andere langlebige, ökologisch wichtige Arten den dynamischen Lebensraumbereich aller Altersklassen berücksichtigen sollten.

Auf der diesjährigen Sitzung der Antarktisvertragsstaaten in Berlin unterstützten viele Länder, den Kaiserpinguin als eine speziell geschützte Art auszuweisen. Unsere Daten zeigen, wie wichtig ein solch verbesserter Schutz wäre.“, fasst Prof. Dr. Olaf Eisen, wissenschaftlicher Leiter der AWI-Antarktis-Forschungsinfrastrukturen und Mitautor der aktuellen Studie die Erkenntnisse zusammen.


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