Nächtliches Kunstlicht lässt Vögel früher singen

(16.03.2015) Unter dem Einfluss nächtlicher künstlicher Beleuchtung beginnen vier von sechs untersuchten Singvogelarten früher im Jahr zu singen. Das zeigen Gesangsaufnahmen von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen.

Die Forscher verglichen vom Winter zum Frühjahr dunkle Lebensräume mit solchen, die von Straßenlaternen beleuchtet waren. Wie sie herausfanden, wirkt sich das Kunstlicht sowohl auf die morgendlichen als auch die abendlichen Gesänge aus.

Besonders die Frühaufsteher unter den Vögeln singen früher im Jahr, sie scheint das Kunstlicht stärker zu beeinflussen. Ob das frühere Singen Konsequenzen für die Fitness der Tiere hat, muss weiter untersucht werden.


Die Schattenseiten der Straßenbeleuchtung: Nächtliches Kunstlicht verändert das Singverhalten von Vögeln

Vor allem in den Städten machen Straßenlaternen, Ampeln oder Wohnbeleuchtung die Nacht immer mehr zum Tag. Dass künstliches Nachtlicht negative Auswirkungen auf natürliche Populationen hat, ist mittlerweile unbestritten. So werden nachtaktive Tiere, zu denen auch Vögel während ihres Zuges gehören, durch Kunstlicht angezogen. Dies führt zur Desorientierung und millionenfach zum Tod durch Kollision mit beleuchteten Objekten.

Ein subtilerer, aber mit ökologischen und evolutionären Konsequenzen verbundener Effekt der künstlichen nächtlichen Beleuchtung sind Veränderungen des natürlichen Aktivitätsrhythmus vieler Tiere. Weil die innere biologische Uhr durcheinander gerät, sind tagaktive Tiere morgens früher oder bis in die Abendstunden hinein aktiv.

Im Winter wurde in Städten sogar beobachtet, dass Vögel nachts auf Nahrungssuche gehen. Darüber hinaus ändern sich auch saisonale Verhaltensmuster, vor allem in der gemäßigten Zone. Dort etwa beginnen Amseln unter dem Einfluss von Kunstlicht bis zu einem Monat früher mit dem Brutgeschäft.


Das Rotkehlchen gehört zu den Vogelarten, die von der nächtlichen Beleuchtung am stärksten beeinflusst werden.

Arnaud Da Silva, Mihai Valcu und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben nun die morgen- und abendlichen Gesänge der Männchen von sechs Singvogelarten in Süddeutschland untersucht: Rotkehlchen, Amsel, Singdrossel, Blaumeise, Kohlmeise und Buchfink.

Alle diese Arten unterscheiden sich in ihrem saisonalen Gesang. Blau- und Kohlmeise singen generell als Erste im Jahr, manchmal ist ihr Gesang sogar schon im Winter zu hören. Buchfink und Amsel beginnen ungefähr ab Mitte Februar zu zwitschern; am Ende des Monats kommt dann das Rotkehlchen hinzu. Schlusslicht bildet die Singdrossel, sie kehrt nicht vor Anfang März aus den Wintergebieten zurück.

Die Wissenschaftler verglichen bei täglichen Gesangsaufnahmen zwischen Januar und April sechs dunkle Standorte mit sechs weiteren, die nachts von Straßenlaternen beleuchtet waren. „Interessanterweise hatte das künstliche Nachtlicht den größten Effekt auf das Rotkehlchen und die Amsel, die beide natürlicherweise lange vor Sonnenaufgang singen und so vom künstlichen Licht wohl am stärksten beeinflusst werden“, sagt Arnaud Da Silva, Erstautor der Studie.

Kohlmeisen und tendenziell auch Blaumeisen begannen mit ihren Gesängen unter Lichteinfluss ebenfalls früher in der Saison. Die Singdrossel hingegen sang morgens unter Straßenbeleuchtung erst später im Jahr, möglicherweise, weil die Vögel diese Territorien zunächst mieden. Bei Buchfinken fanden die Wissenschaftler keinen Effekt. Bei allen Arten waren Morgen- und Abendgesang vom Wetter beeinflusst: An regnerischen und für die Jahreszeit zu kalten Tagen waren weniger Gesänge zu hören.

Das morgendliche und abendliche Gezwitscher dient sowohl der Verteidigung des Territoriums als auch dem Anlocken von Paarungspartnerinnen. „Es ist wahrscheinlich, dass die saisonale Verschiebung des Gesangs Konsequenz auf die Fitness der Tiere hat“, sagt Bart Kempenaers, Betreuer der Studie.

Eine hohe Fitness würde bedeuten, dass die Vögel durch ihren veränderten Rhythmus mehr Nachkommen haben, beispielsweise dadurch, dass sie früher im Jahr brüten.

Die Verschiebung könnte allerdings auch nachteilig sein – etwa wenn um diese Zeit für die Jungen noch nicht genügend Futter verfügbar ist. „Was wir jetzt brauchen, ist ein umfangreicheres Verständnis der Auswirkungen des künstlichen Nachtlichtes auf natürliche Populationen. Dies wird uns helfen, Strategien zur Minimierung der störenden biologischen Effekte zu entwickeln.“



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