Jahresbilanz beim Artenschutz: Wolf, Braunbär & Co - Gewinner und Verlierer 2010

(02.01.2011) Während sich die Lage von Wolf und Seeadler 2010 in Österreich gebessert hat, ging es für den Braunbären oder Fischarten wie den Huchen rasant bergab. Die Hauptursache für den Artenverlust ist die voranschreitende Lebensraumzerstörung durch die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung, sowie die Errichtung von Wasserkraftwerken.

Außerdem führt die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft zu einer monotoneren Kulturlandschaft, in der sensible Arten kaum noch Nischen finden. Und nicht zuletzt haben manche Arten, wie der Braunbär mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen.

„Auch im Jahr der Biodiversität ist es nicht gelungen, den Artenschwund bei Tieren und Pflanzen einzudämmen“, sagt Bernhard Kohler, Leiter des Österreichprogramms des WWF. Der Artenschutzexperte sieht dennoch vereinzelte Silberstreifen am Horizont: Säugetiere wie die Große Hufeisennase oder Amphibien wie die Rotbauch-Unke haben etwa von ganz konkreten Schutzmaßnahmen im Rahmen der diesjährigen vielfaltleben-Kampagne profitiert.

Anderen Juwelen der heimischen Naturlandschaft, droht jedoch im nächsten Jahr ohne Rettungsmaßnahmen eine massive Verschlechterung oder gar das Aus. Stellvertretend für viele weitere Arten präsentiert der WWF fünf (Anm. evtl. jeweils nur vier) Gewinner und Verlierer des zu Ende gehenden Jahres.

Die fünf Gewinner 2010

Der Wolf erobert sich in den letzten Jahrzehnten in weiten Teilen Europas seinen einstigen Lebensraum zurück. 2010 konnten in Österreich bereits fünf bis sieben Wölfe aus unterschiedlichsten Einwanderungsrichtungen nachgewiesen werden. Damit ein Nebeneinander mit dem Menschen konfliktfrei funktionieren kann, sind jedoch einheitliche Regelungen, etwa für die Abgeltung von Schäden an Nutztieren wie Schafen, und viel Informationsarbeit notwendig. „Erst im Dezember haben sich die Bundesländer darauf verständigt, in Sachen Wolf zukünftig eng zusammenzuarbeiten“, freut sich Kohler.

Der Seeadler - Österreichs Wappenvogel - kam im letzten Jahrhundert durch Bejagung, Pestizideinsatz und die Zerstörung seines Lebensraumes in arge Bedrängnis. Bei uns galt er ab 1950 als ausgestorben. Gesamteuropäische Naturschutzbemühungen verhalfen dem Seeadler auch hierzulande zu einem Comeback: Nach dem ersten erfolgreich geschlüpften Adler im Jahr 2001 stieg der Bestand langsam, aber stetig an. Heuer zählte der WWF bereits über 13 Seeadler-Paare, die über den Auwäldern von Donau und March kreisen und in entlegenen Baumhorsten ihre Jungen groß ziehen.

Die Große Hufeisennase gehört zu den seltensten Fledermausarten Europas und ist in Österreich vom Aussterben bedroht. Im Frühjahr 2010 statteten Forscher in Tirol ein Weibchen und ein Männchen mit einem fingernagelkleinen Peilsender aus und entdeckten dadurch, dass die Fledermäuse nicht isoliert leben, sondern mit einer größeren Population in Südtirol im Austausch stehen.

„Wir setzen jetzt gemeinsam mit Italien und der Schweiz gezielte Schutzmaßnahmen, um unseren heimischen Bestand zu stärken“, erklärt Kohler. Der WWF hofft, dass diese Art in Österreich 2011 noch stärker Fuß fassen kann.

Die Rotbauch-Unke gehört zu den am stärksten bedrohten Tierarten Österreichs. Verantwortlich dafür ist vor allem die Zerstörung ihrer Laichgewässer. 2009 startete der WWF in den niederösterreichischen March-Thaya-Auen ein Renaturierungsprojekt.

Einige durch die Flussregulierung verlandete Augewässer wurden wieder „Lebensraum-tüchtig“ gemacht. „Acht verschiedene Amphibienarten, darunter die Rotbauchunke, der Moorfrosch und der Donau-Kammmolch sind seither zurück gekehrt“, so Kohler.

 Die Bilek's Azurjungfer ist eine Kleinlibellenart, die europaweit nur mehr im Tiroler Lechtal überlebt hat. Nun wurde erstmals ein weiteres Vorkommen der Libellenart im Inntal entdeckt.

„Diese erfreuliche Entwicklung zeigt, dass wir auf unsere letzten intakten Flusslebensräume besonders aufpassen sollten“, so Kohler vom WWF. Vor knapp 10 Jahren sollten an den Seitenbächen des Lech mehrere Wasserkraftwerke errichtet werden. „Nur durch einen sorgsamen Umgang mit sensiblen Fluss-Ökosystemen sind Arten wie die Bilek's Azurjungfer dauerhaft zu erhalten!“

Die fünf Verlierer 2010

Der Braunbär, einst König der Wälder, wurde in Österreich - mit Ausnahme von Kärnten - im 19. Jahrhundert vollständig ausgerottet. Nach einem Wiederansiedlungsprojekt konnten in den 1990er Jahren zeitweise bis zu 12 Bären gleichzeitig nachgewiesen werden. Heuer liegt der Bestand wieder bei einem Bären, dem 2001 im Mariazeller Land geborenen „Moritz“.

„Nur ein wirksames Rettungsprogramm kann verhindern, dass der Bär bei uns zum zweiten Mal ausstirbt“, warnt Kohler. 2011 sollen vom Land Kärnten beauftragte Forschungsarbeiten endlich Klarheit darüber bringen, wie viele Bären von Slowenien nach Österreich kommen und ob in absehbarer Zeit auch Weibchen dabei sein werden.

Der Huchen kann über 20 Jahre alt werden und zählt zu den größten Vertretern der lachsartigen Fische weltweit. Dennoch gehört er zu den großen Verlierern des Biodiversitäts-Jahres. Durch den 2010 erfolgten Startschuss für die Kraftwerke Kalsdorf und Gössendorf werden 23 Kilometer freie Fließstrecke der steiermärkischen Mur zur Staukette. Für den Huchen bedeuten die Staumauern und das in Folge verschlammte Flussbett eine massive Lebensraumverschlechterung. Auch Fischaufstiege können nicht verhindern, dass ihm der Weg zu den Laichgründen abgeschnitten und er in seinen Wanderungen behindert wird.

Die Stiel-Eiche, früher Charakterbaum der Auwälder, droht aus den heimischen Auen zu verschwinden. Die Ursache dafür, dass die Keimlinge nicht mehr hochkommen, liegt daran, dass in der modernen Forstwirtschaft rasch wachsende Baumarten bevorzugt werden, die viel Schatten erzeugen.

Außerdem macht den Eichen die Absenkung des Grundwasserspiegels - als Folge von Flussbegradigungen, Dammbauten und Kraftwerken - zu schaffen. Das Fortbestehen dieser eindrucksvollen Auwaldbäume hängt von kostspieligen Pflegemaßnahmen ab, die sich nicht jeder Forstbetrieb leisten kann oder will.

Die Uferschnepfe: Mit dieser Vogelart der Roten Liste ging es in den letzten 20 Jahren dramatisch bergab. In Österreich konnte sich ein kleiner Bestand im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel (Burgenland) halten, weil man dort gezielt jene Wiesen pflegt, in der diese Zugvögel brüten.

Außerhalb von Großschutzgebieten wie Nationalparken hat der Schnepfenvogel kaum noch Chancen, weil immer mehr Wiesen in Ackerland oder Wald umgewandelt werden. Die verbliebenen Wiesen werden so intensiv gedüngt und häufig gemäht, dass die Vögel keine Möglichkeit mehr zum Nisten haben.

Die Ährenmaus ist eine nahe Verwandte der Hausmaus; im Gegensatz zu dieser aber vom Aussterben bedroht. Weil sie ihre Vorratshügel in Ackerbrachen und Windschutzgürteln baut, leidet sie unter den Willkürakten der Landwirtschaftspolitik: Werden Brachen angelegt, um die Getreide-Überproduktion zu mindern, geht es der Ährenmaus gut.

Werden die Anbauflächen aufgrund finanzieller Anreize ausgeweitet, bricht der Bestand wieder zusammen. Die wenigen verbliebenen Rückzugsgebiete in den Resten pannonischer Waldsteppen Ostösterreichs, reichen für das Überleben des Kleinsäugers nicht aus.


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