Großflächige Erhebungen zur Säugetier-Vielfalt sind für ein effektives Vorgehen gegen Wilderei notwendig

(05.02.2020) Wilderei führt in tropischen Hotspots der biologischen Vielfalt (Biodiversitäts-Hotspots) zu einem beispiellosen Rückgang der Wildtierpopulationen.

Effektive Gegenmaßnahmen setzen jedoch genaue Kenntnisse über Vorkommen und Verteilung bedrohter Tierarten voraus. Diese Kenntnisse setzen groß angelegte systematische Erhebungen sowie neue Methoden der Datenerfassung und -analyse voraus, schließt ein Forscherteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen im Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos.


Annamitisches Streifenkaninchen

Diese Region ist durch ein außergewöhnlich hohes Vorkommen von Arten mit begrenzter Verbreitung (endemische Arten) gekennzeichnet, das jedoch durch Wilderei mittels Schlingfallen bedroht ist.

Eine großflächige Kartierung der Biodiversität kann wichtige Informationen für den Schutz seltener Arten liefern. Die Untersuchung, an der neben dem Leibniz-IZW auch Vertreterinnen und Vertreter aus dem Naturschutzbereich, unter anderem von WWF Vietnam und WWF Laos, beteiligt waren, wurde in der Fachzeitschrift „Diversity & Distributions“ veröffentlicht.

Erst kürzlich wurde das Vietnam-Kantschil – eine rehähnliche, katzengroße Art, die auch als vietnamesischer Maushirsch bekannt ist – in tropischen Regenwäldern Vietnams wiederentdeckt sowie erstmalig fotografiert und gefilmt.

Doch auch dieses Symbol der herausragenden Artenvielfalt in der Region ist akut gefährdet, denn vor allem die Wilderei durch Drahtschlingen stellt eine enorme Bedrohung für die Tierwelt in Vietnam, im angrenzenden Laos und in anderen Teilen Südostasiens dar.

Um die Wildtierbestände in diesen Gebieten zu schützen, müssen die begrenzten Ressourcen im Umwelt- und Artenschutz nach Ansicht der Forscher effektiv genutzt werden. Das Wissen darüber, wo seltene und bedrohte Arten noch vorkommen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, Gebiete für gezielte Schutzmaßnahmen zu identifizieren.

Mit einer aktuellen Untersuchung im Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos zeigt das Wissenschaftlerteam, dass die Erfassung der Biodiversität in von Artenschwund gezeichneten Landschaften neue Ansätze erfordert.

„Durch systematische Erhebungen auf der Landschaftsebene konnten wir einen besseren Überblick über die Wildtierbestände gewinnen und jene Faktoren besser verstehen, die deren Verteilung beeinflussen“, so Andrew Tilker vom Leibniz-IZW und Hauptautor der Publikation.

„Wir konnten zudem nachweisen, dass wir bessere Ergebnisse bei der Identifikation und Lokalisierung von seltenen Arten erzielen, wenn wir zwei methodische Ansätze kombinieren: Wir setzen automatische Kamerafallen ein und benutzen neueste genetische Methoden, um Blutegel, die mutmaßlich an bedrohten Arten gesaugt haben, zu analysieren. Die auf diese Weise gewonnenen Daten haben wir mit modernen statistischen Methoden in Karten umgesetzt, die zum ersten Mal die Verteilung seltener und bedrohter Arten in der Region veranschaulichen.“

Die Hoffnung der Forscher ist es, dass diese Referenzerhebung für die biologische Vielfalt im Truong-Son-Gebirge den Naturschutzorganisationen hilft, zielgenaue Maßnahmen zum Schutz der bedrohten Tierwelt zu konzipieren.

„Die Bedrohung für die endemischen Wildtiere durch die Wilderei durch Drahtschlingen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Benjamin Rawson, Conservation and Program Development Director des WWF Vietnam.

„Der WWF setzt alles daran, die Drahtschlingen möglichst weitgehend aus der Bergregion zu entfernen und den Wildtieren dadurch eine Chance zum Überleben zu geben. Die unglaubliche Anzahl von Drahtschlingen im Truong-Son-Gebirge ist jedoch alarmierend.“

„Mit den Erkenntnissen aus den großflächigen Erhebungen können wir nun Teams zur Beseitigung von Drahtschlingen einsetzen und uns auf die neu identifizierten Gebiete mit hoher Vielfalt konzentrieren“, sagt Adrian Klocke, Projektmanager der KfW Entwicklungsbank in Deutschland, die das Projekt „Carbon and Biodiversity Phase II“ (CarBi II) im Truong-Son-Gebirge unterstützt.

CarBi II wird vom WWF über die KfW und im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) durchgeführt.

„Die Ergebnisse dieser Untersuchung helfen uns, Gebiete zu identifizieren, die derzeit nicht geschützt, aber für seltene Arten wichtig sind“, so Klocke weiter. „Ein interessantes Ergebnis war zum Beispiel, dass ein bisher nicht geschütztes Waldgebiet in Laos, das Palé-Gebiet, ein Hotspot für zahlreiche endemische und bedrohte Arten ist. Wir hoffen, dass dieses Gebiet als Teil von CarBi II geschützt werden kann.“

Amphone Phommachak, Landscape Manager für das zentrale Truong-Son-Gebirge im WWF Laos, stimmt zu, dass diese wissenschaftlichen Untersuchungen sehr wertvoll sind.

„Wir müssen evidenzbasierte Schutzstrategien entwickeln und umsetzen, um die bemerkenswerte biologische Vielfalt der Region zu schützen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie durch intensive Wilderei hart getroffen wurde, aber glücklicherweise finden sich noch immer seltene und endemische Arten.

Es ist noch Zeit, Arten wie das Annamitische Streifenkaninchen zu schützen, aber dieses Zeitfenster schließt sich schnell. Wenn wir unsere Schutzbemühungen wie das Beseitigen von Drahtschlingen auf die wichtigsten Gebiete konzentrieren, dann können wir ein massives Artensterben im Truong-Son-Gebirge vielleicht noch verhindern.“

Publikation

Tilker A, Abrams JF, Nguyen A, Hörig L, Axtner J, Louvrier J, Rawson BM, Nguyen HAQ, Guegan F, Nguyen TV, Le M, Sollmann R, Wilting A (2020): Identifying conservation priorities in a defaunated tropical biodiversity hotspot. Diversity and Distributions.


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