Künstliches Licht beeinflusst migrierende Fledermäuse

(01.06.2017) Migrierende Fledermäuse werden durch künstliches Licht von ihrer nächtlichen Flugroute abgelenkt. Aber nicht, weil sich an der Lichtquelle vermehrt Insekten tummeln – sondern weil das Licht selbst sie anzieht.

Dies fand ein Forscherteam um Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin bei einer Studie mit grünem Laser-Licht heraus.


Migrierende Fledermäuse werde von künstlichem Licht abgelenkt.
Dass viele Zugvögel sich stark von künstlichem Licht beeinflussen lassen, ist bekannt. In ihrer Netzhaut sitzt ein Pigment namens Cryptochrom, das empfänglich für künstliches Licht ist.

Die Vögel werden dadurch irritiert, desorientiert und fliegen in das Licht hinein. „Wir kennen das insbesondere von Seevögeln, die zu Tausenden an Leuchttürmen zu Tode kommen“, erklärt Christian Voigt. „Deshalb wollten wir wissen, ob das für migrierende Fledermäuse ebenfalls zutrifft.“

Säugetieren fehlt üblicherweise das spezielle Cryptochrom, welches für Vögel so typisch ist. Von standorttreuen Fledermausarten ist aber bereits bekannt, dass sie auf künstliches Licht reagieren, weil sie dort Insekten jagen können.

Während der Herbstwanderung, wenn Fledermäuse Richtung Süden ziehen, stellten die Forscher an einer stark überflogenen Stelle an der Ostseeküste Lettlands Laserlicht auf, um eine weiße Fläche damit anzustrahlen.

Helles Licht lockt auch Insekten an – das bevorzugte Futter von Fledermäusen. Um sicherzustellen, dass die Tiere keine reiche Beute an der Lichtquelle vorfinden, wählten die Forscher eine für Insekten unattraktive Lichtfarbe – Grün.

Mit Hilfe von Fledermausdetektoren stellten die Forscher fest, dass die Aktivität von Rauhautfledermäusen (Pipistrellus nathusii) und Mückenfledermäusen (P. pygmaeus) in der Nähe der angestrahlten Fläche um 50 Prozent zunahm, wenn das Licht eingeschaltet war.

Neben der Anwesenheit wurden auch solche Echoortungsrufe der Fledermäuse notiert, die typischerweise bei der Insektenjagd geäußert werden. „Nach Einschalten des Lichts erhöhte sich die Jagd-Aktivität der Fledermäuse jedoch nicht“, sagt Voigt.

„Wie von uns erwartet, gab es in der Nähe unserer Versuchsfläche keine Ansammlung von Beute-Insekten.

Die Fledermäuse näherten sich also nicht unserer Versuchsfläche, um dort zu jagen, sondern weil die Fläche vom künstlichen Licht erhellt wurde. Die Fledermäuse wurden also tatsächlich vom Licht angezogen.“

Demnach üben nicht nur Windkraftanlagen, an denen weltweit Hunderttausende von ziehenden Fledermäusen zu Tode kommen, eine große Anziehungskraft auf die kleinen Säugetiere aus.

Die Studie, an der neben Leibniz-IZW-Forschern auch Gunārs Pētersons von der lettischen Agraruniversität in Jelgava beteiligt war, liefert erste Indizien, dass die zunehmende nächtliche Lichtverschmutzung ziehende Fledermäuse ebenfalls beeinflussen könnte.

Fledermäuse sind die einzigen aktiv flugfähigen Säugetiere und sehr nützlich. Indem sie Insekten jagen und Schädlinge von Pflanzen einsammeln, erbringen sie weltweit messbare ökosystemare Dienstleistungen.

Sie sind deshalb in der gesamten Europäischen Union durch eine Habitat-Direktive geschützt. Ziehende Arten stehen zudem, ebenso wie Vögel und Wale, unter dem besonderen Schutz der UN-Konvention zum Schutz ziehender Arten.

Anders als beim Vogelzug registriert der Mensch die Fledermauswanderungen nicht, weil seine Sinne sie nicht wahrnehmen können.

Während Kraniche tagsüber in gut sichtbaren V-Formationen ziehen oder das Kreischen von Wildgänsen nicht zu überhören ist, fliegen Scharen an Fledermäusen am Nachthimmel jeden Herbst über Tausende Kilometer hinweg vom Baltikum bis nach Südeuropa.

Und im Frühjahr wieder zurück. „Das Phänomen ist beeindruckender als die Tierwanderungen in der Serengeti, passiert aber hier bei uns vor Ort, über unseren Köpfen“, betont Voigt.

„Wir müssen nun weiter untersuchen, ob andere Lichtfarben ebenso auf migrierende Fledermäuse wirken und welche Folgen die Anziehungskraft von Licht für die ziehenden Fledermäuse haben könnte“, sagt Voigt.

Durch die Umrüstung auf energiesparende LED-Beleuchtung wird im Schnitt mehr Licht erzeugt als je zuvor. „Gerade in den osteuropäischen Ländern beobachten wir eine prinzipielle Zunahme der nächtlichen Beleuchtung.“

Wie sich diese auf der Landschaftsebene auswirkt, ist noch unbekannt „Wir wissen zum Beispiel noch nicht, ob Zugtiere von Lichtkegeln über Städten angelockt werden oder nicht“, kommentiert Voigt. Tatsache ist: Jede Abweichung von der optimalen Zugstrecke kostet Energie. „Unsere Prämisse muss sein: so wenig Licht wie möglich – so viel wie nötig. Bei jeder einzelnen Straßenlaterne ist zu überlegen, ob sie tatsächlich notwendig ist oder nicht.“

Publikation

Voigt CC, Roeleke M, Marggraf L, Pētersons G, Voigt-Heucke SL (2017): Migratory bats respond to artificial green light with positive phototaxis. PLOS ONE. http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0177748



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