Nähe zu Wegen und Straßen ist eine Belastung für Seeadler

(08.10.2019) Der Seeadler ist als Vogelart bekannt, die sensibel auf Störungen reagiert. Jedoch ist bislang nur in Ansätzen erforscht, welche Faktoren welche Auswirkungen auf die Tiere haben und wie diese Belastungen den Bruterfolg beeinflussen.

Ein Forscherteam unter Leitung von Dr. Oliver Krone vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) hat nun bei Seeadlern in Norddeutschland Konzentrationen des Hormons Corticosteron und seiner Stoffwechselprodukte gemessen und diese Werte mit potenziellen Belastungsursachen korreliert.

Sie fanden heraus, dass die Werte des Hormons im Urin der Vögel höher sind, umso näher der Horst eines Brutpaares zu Wegen oder Straßen liegt.


Seeadler mit Jungvogel im Horst.

Daraus leiten die WissenschaftlerInnen Implikationen für das Management und den Schutz der Seeadler ab, insbesondere für Schutzzonen um die Horste. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „General and Comparative Endocrinology“ erschienen.

Wichtige Verbreitungsgebiete des Seeadlers in Deutschland – etwa die Mecklenburgische Seenplatte oder die Ostseeküste – sind zugleich touristisch attraktive Regionen. Dies hat zur Folge, dass in Kern-Brutgebieten die Besucherzahlen hoch sind und weiter steigen.

Da sich typische touristische Aktivitäten – Wandern, Radfahren, Wassersport – auf das Naturerlebnis fokussieren, sehen Forscher darin einen potenziellen Konflikt zwischen den Besuchern und den sensiblen Tieren.

„Um diese Vermutung entweder zu bestätigen oder zu widerlegen, haben wir im Frühling und Frühsommer bei 52 Seeadlern im Naturpark Insel Usedom das Level des Hormons Corticosteron in Urinproben gemessen“, erklärt Dr. Oliver Krone vom Leibniz-IZW, der Leiter der Studie.

Dazu nutzen sie Exkrementproben von 6 bis 8 Wochen alten Jung-Seeadlern, die im direkten Umfeld der Horste auf Blättern zu finden waren. Aus Langzeitdaten des Projekts standen zudem die Populationsdichte der Seeadler in dem jeweiligen Gebiet, der Bruterfolg der Standorte sowie die jeweilige Entfernung der Horste zu nächstgelegenen Straße oder Weg zur Verfügung.

„Mittels statistischen Tests konnten wir Zusammenhänge zwischen diesen Langzeitdaten und den Hormonlevels prüfen“, so Krone. „Wir konnten niedrigere Levels von Corticosteron in Proben nachweisen, die an Standorten mit größeren Entfernungen zu Straßen oder Wegen gesammelt wurden.“

Der Zusammenhang ist statistisch hoch-signifikant, womit der negative Effekt des „Stressfaktors“ Straße oder Weg belegt ist. Zugleich konnte Krone keinen negativen Einfluss dieses Faktors auf den Bruterfolg belegen.

„Ob an einem Standort erfolgreich gebrütet wird, hängt offenbar nicht vom Corticosteron-Level und auch nicht von der Nähe zu Straßen und Wegen ab“, so Krone.

Vielmehr ergebe sich ein Zusammenhang zwischen Seeadlerdichte und Bruterfolg: In bereits dicht besiedelten Regionen (mehr als zwei Paare pro 121 Quadratkilometer) deutlich geringere Chancen auf Nachwuchs haben als in dünner mit Seeadlern bewohnten Regionen.

Um negative Auswirkungen auf das Brutverhalten und den Bruterfolg zu vermeiden, sehen die WissenschaftlerInnen Anpassungen der Schutzzonen-Regelungen als notwendig an.

Diese Regelungen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern beschränken beispielsweise die forst- und landwirtschaftliche Nutzung im Umkreis von 300 Metern um einen Horst.

Wanderpfade oder Reitwege seien davon bislang nicht betroffen, so Krone. Intensive touristische Nutzung, wie es beispielsweise auf Usedom der Fall ist, erweist sich aber als ebenso „stressig“ für die Seeadler.

„Wir regen an, in einem Radius von 100 Metern um die Horste auch touristische Nutzung und Erschließung auszuschließen und in Brutregionen jegliche Freizeitaktivitäten abseits von ausgewiesenen Wegen, Pfaden oder Straßen zu unterbinden“, fügt Krone hinzu.

„Der Autoverkehr auf der Straße spielt für die Seeadler keine Rolle, daran können sich die Tiere gut gewöhnen. Allerdings stellen Fußgänger und Fahrradfahrer, die zu nah am Horst vorbeikommen eine potenzielle Gefahr für die Adler dar.“

Intensive Schutzbemühungen in letzten 100 Jahren haben den Seeadler in Deutschland vor dem Aussterben bewahrt. Sie wurden in den 1920er Jahren unter Schutz gestellt, nachdem vor allem die Jagd die Bestände auf ein kritisches Level geschrumpft hatte.

Mittlerweile ist die Seeadlerpopulation wieder auf ein stabiles Maß angewachsen. Allerdings wirkt sich noch immer die Verwendung von bleihaltige Munition bei der Jagd negativ auf die Seeadler aus, die im Winter die von Jägern hinterlassene Aufbrüche erlegter Tiere fressen. Derzeit gibt es rund 800 Brutpaare des Seeadlers in Deutschland, Hochrechnungen gehen von einem Potenzial von 1200 Brutpaaren für Deutschland aus.

Publikation

Krone O, Bailey LD, Jähnig S, Lauth T, Dehnhard M (2019) Monitoring corticoid metabolites in urine of white-tailed sea eagles: Negative effects of road proximity on breeding pairs. General and Comparative Endocrinology, 283. DOI: 10.1016/j.ygcen.2019.113223



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