Wesentliche Teile des Y-Chromosom von Eisbären entschlüsselt

(26.07.2015) Ein Wissenschaftlerteam rund um Prof. Axel Janke vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt hat erstmalig den männlichen Teil des Eisbärgenoms rekonstruiert.

Die Forscher konnten 1,9 Millionen Basenpaare den Y-Chromosomen der Polarbären zuordnen. Sie zeigen in ihrer heute im Fachjournal „Genome Biology and Evolution“ veröffentlichten Studie, dass sich vor mehr als 100.000 Jahren zwei genetische Gruppen männlicher Eisbärlinien auseinander entwickelt haben.

Der Eisbär ist das größte an Land lebende Raubtier auf der Erde und nicht zu übersehen. Die Erforschung der Arktisbewohner ist dennoch schwierig: Eisbären leben und sterben auf dem Meereis, ihre Überreste sind selten auffindbar.


Große Teile des Y-Chromosoms des Eisbären wurden erstmals entschlüsselt

„Um dennoch Einblicke in die evolutionäre Entwicklung von Ursus maritimus zu erhalten, verwenden wir daher anstelle von Fossilien das Erbgut “, erklärt Prof. Axel Janke vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt.

Der Evolutionsbiologe und Genetiker hat gemeinsam mit seinem Doktoranden und Erstautoren der Studie Tobias Bidon und weiteren Wissenschaftlern erstmals große Teile des Y-Chromosoms der Eisbären rekonstruiert. „Das gesamte Genom eines Organismus zu sequenzieren ist heutzutage relativ schnell und kostengünstig möglich“, erläutert Janke. Für solche umfassenden Genomprojekte wurden bislang oft nur weibliche Tiere herangezogen.

Das spezielle Chromosom männlicher Tiere – das Y-Chromosom – wurde bisher vernachlässigt. Bidon hierzu: „Das ist insofern überraschend, da das Y-Chromosom ein wichtiger Bestandteil des Säugetiergenoms ist. Er wird nur von Männchen zu Männchen vererbt und liefert damit wichtige Erkenntnisse über die geschlechtsspezifische Evolutionsgeschichte und Populationsdynamik.“

Dem Frankfurter Forscherteam gelang es nun aus Billionen anonymer Sequenzabschnitte jene zu identifizieren, die dem Y-Chromosom der Eisbären zuzuordnen sind. Dabei machten sie es sich zu nutze, dass das Y-Chromosom in nur einer Kopie im Männchen vorliegt und im weiblichen Tier gänzlich fehlt, während alle anderen Chromosomen in zweifacher Kopie vorliegen.

„Mit dieser ‚Auschluss-Methode‘ konnten wir insgesamt 1,9 Millionen Basenpaare des männlichen Erbgutes identifizieren“, ergänzt Janke.

Durch die Analyse der fast zwei Millionen Y-Chromosom-Nukleotide der Eisbären identifizierten die Senckenberger Wissenschaftler zwei genetische Gruppen männlicher Eisbärlinien, die sich nach ihren Berechnungen vor über 100.000 Jahren auseinander entwickelten.

„Individuen beider genetischer Gruppen finden wir heute in verschiedenen arktischen Regionen – von Alaska bis Spitzbergen“, erzählt Bidon. Dies bestätigt die Vermutung, dass Eisbären über gewaltige Distanzen wandern und so ihr genetisches Material in der gesamten Arktis verteilen.

„Wir hoffen mit unserer Methode in Zukunft auch von anderen Tieren große Teile des Y-Chromosoms rekonstruieren zu können, um damit die väterliche Vererbung zu studieren“, gibt Janke einen Ausblick auf weitere Projekte.



Weitere Meldungen

Präparat aus dem Tierkörper einer verstorbenen Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn; Bildquelle: Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

Neues Eisbär-Präparat im Naturhistorischen Museum Wien

Im Zuge der Vorbereitungen auf die Sonderausstellung "Arktis. Polare Welt im Wandel“ präsentierte das NhM ein neues Präparat aus dem Tierkörper einer verstorbenen Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn
Weiterlesen

WWF

Zahl der Eisbären auf Talfahrt

Eisbär-Bestand in vier Gebieten stark rückläufig, ein Drittel der globalen Population bedroht
Weiterlesen

Wurfnische in der Innenanlage der Eisbärenwelt; Bildquelle: Tiergarten Schönbrunn

Eisbären-Nachwuchs im Tiergarten Schönbrunn

Der Tiergarten Schönbrunn freut sich über Nachwuchs bei den Eisbären. Am 9. November ist das Weibchen Nora zum ersten Mal Mutter geworden. „Nora kümmert sich fürsorglich um ihr Jungtier
Weiterlesen

Die Konzentration der im Eisbärenserum gefundenen Metabolite ist nicht wie erwartet zurückgegangen, sondern teilweise sogar angestiegen.; Bildquelle: Wiley-VCH

Hunderte neue halogenierte Substanzen in Eisbärenserum entdeckt

In Eisbärenserum konnten kanadische und US-amerikanische Wissenschaftler jetzt mit einer neuen, empfindlicheren Messmethode zahllose chlorierte und fluorierte Substanzen nachwiesen
Weiterlesen

Eisbär Fritz im Tierpark Berlin 2017; Bildquelle: Tierpark Berlin 2017

Eisbär Fritz war mit neuartigem Adenovirus infiziert, starb aber nicht daran

Bei der Suche nach der Todesursache des kleinen Eisbären Fritz aus dem Tierpark Berlin stießen die Forscher vom Leibniz-Institut für Zoo-und Wildtierforschung in Berlin auf ein bislang unbekanntes Mastadenovirus
Weiterlesen

Nora im Zoo Tallinn; Bildquelle: Inari Leiman

Eisbärin Nora im Tiergarten Schönbrunn eingetroffen

Im Tiergarten Schönbrunn gibt es eine neue Bewohnerin: am 5. Dezember 2017 ist Eisbären-Weibchen Nora aus dem Zoo Tallinn (Estland) angekommen
Weiterlesen

WWF

DNA erstmals aus Eisbären-Spuren isoliert

Zum ersten Mal ist es französischen Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit dem WWF gelungen DNA aus einer Eisbärenspur im Schnee zu isolieren. Die Wissenschaftler der Firma SPYGEN untersuchten dabei Proben von einer WWF-Expedition in die norwegische Arktis
Weiterlesen

Eisbär Knut als Dermoplastik im Museum für Naturkunde in Berlin; Bildquelle: Eisbär Knut

Das medizinische Erbe von Eisbär Knut

Knut ist 2011 in einem Wassergraben des Berliner Zoos ertrunken. Der Eisbär, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, hatte zuvor an Krämpfen gelitten
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen