Wissenschaftlerinnen erforschen das Zeitgefühl von Robben

(27.05.2020) Wissenschaftlerinnen der Universität Rostock konnten zeigen, dass Hundsrobben und Ohrenroben sehr ähnliche Fähigkeiten der Zeitwahrnehmung besitzen, obwohl die Robbenarten sich ansonsten in sehr vielen Aspekten unterscheiden.

Rätselhaft ist die Zeit, und dennoch verfügen wir Menschen über eine erstaunliche Zeitwahrnehmung.

Wie aber sieht es mit der Zeit und der Zeitwahrnehmung bei Tieren aus?

Die mit einer Lichtenberg-Stiftungsprofessur ausgezeichnete Professorin Frederike Hanke forscht seit September letzten Jahres am Marine Science Center der Universität Rostock in Warnemünde-Hohe Düne.

Hier befasst sich die Wissenschaftlerin mit der visuellen Wahrnehmung. Visuelle Reize spielten auch eine wichtige Rolle in den Zeitexperimenten ihrer Doktorandin Tamara Heinrich.


Aus einer Ruheposition heraus betrachtet Seebär "Fin" während des Zeitsinnexperiments den Zeitreiz

Nach ihrer ersten Studie zum Zeitsinns des Seehunds 2016 stellte sie sich die Frage, wie das „Timing“ bei anderen Robbenarten aussieht. Neben Seehunden, die zu den Hundsrobben gehören, lebt in der Robbenforschungsstation in Warnemünde auch der südafrikanischer Seebär „Fin“.

Er gehört zu den Ohrenrobben, die sich, so Professorin Hanke, ganz erheblich von Hundsrobben unterscheiden. Die beiden Robbenfamilien weisen nicht nur anatomische Unterscheide auf: Der Seehund ist ein Einzelgänger, der auf den Sandbänken zum Beispiel der Nord- und Ostsee gesichtet wird.

Der südafrikanische Seebär jedoch lebt an der Atlantikküste Südafrikas und Namibias in großen Kolonien, in denen Interaktionen mit Artgenossen permanent notwendig sind, um zum Beispiel die Rangordnung zu klären.

Unterschiede in der Jungtieraufzucht, im Jagdverhalten und in der Kommunikation zwischen Seehund und Seebär sind nur ein paar weitere Bespiele, die auch eine unterschiedliche Zeitwahrnehmung mit sich ziehen könnten.

Bei den Experimenten sahen Seehund „Luca“ und Seebär „Fin“ auf einem Bildschirm einen weißen Punkt, der für eine genau bestimmte Zeitdauer präsentiert wurde. Nachdem der Kreis verschwunden war, mussten sie zeigen, ob sie einen festgelegten Standardreiz von z.B. drei Sekunden Dauer oder einen Vergleichsreiz länger als drei Sekunden z. B. von fünf Sekunden Dauer gesehen hatten.

Durch eine Kopfbewegung an einen rechten bzw. linken Ball teilten sie ihre Entscheidung mit. Zu Beginn wich der Vergleichsreiz zeitlich sehr stark von dem Standardreiz ab.

Diese Reize zu unterscheiden war sowohl für Luca als auch für Fin eine leichte Übung. Im Laufe des Experimentes glich die Meeresbiologin Tamara Heinrich die Dauer des Vergleichsreizes und des Standardreizes immer mehr an, bis der Unterschied nur noch Bruchteile einer Sekunde betrug.

Doch absolvierten beide Tiere diese Aufgabe mit ähnlich guten Ergebnissen. „Es hat uns sehr überrascht“, sagt Tamara Heinrich, „dass beide Robbenarten die Aufgabe so schnell lernten und einen so guten und ähnlich ausgeprägten Zeitsinn zeigten.“

Diese unerwartete Entdeckung wurde zusammen mit Dr. Andrea Ravignani vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmwegen sorgfältig studiert und jüngst in dem renommierten Journal „Animal Cognition“ veröffentlicht.

Das Forscherteam sieht viele Bereiche, in denen Zeitwahrnehmung für Robben eine Rolle spielen könnte.

Professorin Hanke erläutert: „Bisher haben wir nur die Informationen der klassischen Sinnessysteme bedacht, wenn es um Entscheidungen bei der Futtersuche oder auch um Navigation auf dem offenen Meer geht – der Zeitsinn könnte hierzu jedoch maßgeblich beitragen.“

Den Rätseln des Zeitsinns versuchen die Rostocker Forscherinnen nun mit weiteren Verhaltensexperimenten mit ihren Robben auf die Spur zu kommen.



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Doktorandin Tamara Heinrich mit Versuchstier Luca.; Bildquelle: Heinrich, MSC

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