Der große Lauschangriff - wie und was hören Fledermäuse?

(08.01.2021) Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurde, bietet die bislang umfassendste vergleichende Bewertung des Hörvermögens von Fledermäusen und untersucht den evolutionären Druck auf ihre sensorische Wahrnehmung.

Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin untersuchten das Hörvermögen in Hoch- und Niederfrequenzbereichen, die jeweils relevant für Echoortung und Sozialrufe sind und zeigten, dass das Hörvermögen in beiden Frequenzbereichen gleich gut ist.

Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung Darüber erforschten die Wissenschaftlerinnen, dass sich Änderungen des Hörvermögens als Reaktion auf Frequenzänderungen der Echoortung und der Sozialrufe entwickelten.

Fledermäuse leben in einer Klangwelt. Als Hörspezialisten verlassen sie sich auf hochfrequente Echoortungsrufe, um die Welt wahrzunehmen, hören aber auch Sozialrufe und Umgebungsgeräusche bei niedrigeren Frequenzen. Echoortungsrufe und Sozialrufe unterscheiden sich nicht nur in der Frequenz (Tonhöhe), sondern auch in der Amplitude (Lautstärke): Echoortungsrufe sind normalerweise lauter als Sozialrufe, aber die wiederkehrenden Echos können sehr leise sein. Obwohl Fledermäuse eine besonders interessante Gruppe für die Erforschung des Hörvermögens sind, gibt es nur wenige vergleichende Studien.

Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin, Mirjam Knörnschild und Martina Nagy, haben gemeinsam mit Forschenden der LMU München und des MPI für Psycholinguistik in Njimegen untersucht, welcher evolutionärer Druck die sensorische Wahrnehmung von Fledermäusen beeinflusst hat.

Sie bewerteten die Hörempfindlichkeit und Amplitudenkodierung von elf neotropischen Arten unter Verwendung einer minimalinvasiven Technik, die den Fledermäusen keinen Schaden zufügte. Die Wissenschaftlerinnen zeigten, dass die Amplitude für hochfrequente Echoortungsrufe feiner codiert ist als für niederfrequente Sozialrufe.

„Dieser Unterschied hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Fledermäuse bei Echoortungsrufen und deren Echos einen großen Bereich von Amplitudenunterschieden kodieren müssen“, erklärt Mirjam Knörnschild.

Im Gegensatz zur Amplitudencodierung ist die Hörempfindlichkeit der Fledermäuse sowohl im Hoch- als auch im Niederfrequenzbereich gleich gut. „Interessanterweise haben die Weibchen einiger Arten im Niederfrequenzbereich eine höhere Hörempfindlichkeit als Männchen“, fügt Martina Nagy hinzu.

"Diese erhöhte Empfindlichkeit könnte einen selektiven Vorteil darstellen, da junge Fledermäuse niederfrequente Isolationsaufrufe nutzen, um mit ihren Müttern zu kommunizieren."

Die Wissenschaftlerinnen kombinierten ihre neugewonnenen Daten mit bereits veröffentlichten Daten zu 27 weiteren Fledermausarten in einer phylogenetischen Vergleichsanalyse und zeigten, dass die einzelnen Arten eine maximale Hörempfindlichkeit bei den Hauptfrequenzen der jeweiligen Echoortungs- und Isolationsrufe aufwiesen.

„Dies zeigt, dass sich Änderungen der Hörempfindlichkeit als Reaktion auf Frequenzänderungen bei den Echoortungsrufen und Sozialrufen entwickelt haben“, betont Mirjam Knörnschild.

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Fledermausforschung relevant. Andere echoortende Tiergruppen wie zum Beispiel Wale zeigen wahrscheinlich ebenfalls eine adaptive korrelierte Evolution von maximaler Hörempfindlichkeit und wichtigen Ruffrequenzen.

Die Wissenschaftlerinnen hoffen, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, den evolutionären Druck auf die sensorische Wahrnehmung aller echoortenden Tiergruppen zu untersuchen.


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