Eisbär Fritz war mit neuartigem Adenovirus infiziert, starb aber nicht daran

(04.09.2018) Bei der Suche nach der Todesursache des kleinen Eisbären Fritz aus dem Tierpark Berlin stießen die Forscher vom Leibniz-Institut für Zoo-und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin auf ein bislang unbekanntes Mastadenovirus in dessen Blut und Gewebe.

Todesursächlich war diese Infektion aber nicht. Die Ergebnisse der pathologischen und genetischen Analysen wurden jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift mSphere publiziert.

Die Trauer war groß nach dem plötzlichen Tod von Eisbär Fritz im April 2017. Es kam in der Vergangenheit schon öfter vor, dass Eisbären in Menschenobhut an opportunistischen Keimen, wie etwa dem equinen Herpesvirus oder dem West-Nil-Virus starben.

Deshalb wurde in Betracht gezogen, dass Fritz ebenfalls einer solchen Virusinfektion zum Opfer gefallen sein könnte.


Eisbär Fritz im Tierpark Berlin 2017

Das Forscherteam um Alex Greenwood und Anisha Dayaram vom Leibniz-IZW und ihren Kollegen aus dem Tierpark Berlin und dem Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin fand zu seiner Überraschung jedoch ein bisher unbekanntes und gänzlich artfremdes Adenovirus. Tödlich war die Infektion für den Eisbären aber nicht.

Die Forscher analysierten verschiedene Gewebetypen und das Blut des Eisbären mit Hilfe der sogenannten Shotgun-Sequenzierung, um mögliche Virus-RNA nachzuweisen. „Was uns diesen Fall wirklich schwer gemacht hat war, dass wir in Datenbanken keinerlei Vergleichssequenzen gefunden haben, die 90 Prozent oder mehr Ähnlichkeit mit diesem Virus haben.

Wir fanden absolut nichts!“, erzählt Greenwood. Erst als sie auch Viren mit einbezogen, die nur zu 70 Prozent dem unbekannten Virus glichen, wurde das Team fündig. Nun ließ sich auch das komplette Genom des neuen Krankheitserregers rekonstruieren, das sich stark von bei anderen Säugetieren vorkommenden Adenoviren unterscheidet.

Phylogenetische Analysen zeigten, dass das Virus noch am ehesten mit den Adenoviren von Delfinen, Seelöwen und Fledermäusen verwandt ist – jedoch extrem weit entfernt ist von denen der Primaten.

„Da Fritz und seine Mutter in einem isolierten Gehege lebten, gehen wir davon aus, dass das Virusreservoir ein kleines Nagetier oder eine Fledermaus gewesen sein muss.“ Andere klassische Infektionswege wie etwa über das Futter oder eine Übertragung durch die Tierpfleger scheiden damit aus.

Die Obduktion des kleinen Eisbären ergab zudem, dass seine Leber stark angegriffen und teilweise nekrotisch war. Die Ursache dafür ist unbekannt: Es lag weder eine Entzündung vor, noch gab es Hinweise auf Viren im Lebergewebe.

Auch weitere Untersuchungen von verschiedenen Veterinär-Pathologen, Human-Pathologen und Toxikologen der Rechtsmedizin erbrachten keinen positiven Befund, der die Leberschäden hätte erklären können.

Was letztlich den Tod von Fritz verursacht hat, ist also weiter unklar. „Wir können nicht ausschließen, dass das Virus ihn geschwächt hat und dann etwas anderes hinzu kam“, sagt Greenwood. „Anders herum könnte seine Haupterkrankung (in der Leber) sein Immunsystem auch so geschwächt haben, dass das Virus erst dadurch eine Chance bekam, ihn zu infizieren.“

Die Forscher wollen nun im Gewebe des Eisbären nach spezifischen Antikörpern suchen, um testen zu können, ob auch andere Tierparkbewohner infiziert sind.

„Auch wenn das Virus nach Einschätzung aller Experten nicht für den Tod des kleinen Eisbären verantwortlich ist, so zeigt der Befund doch, auf welch hohem, internationalem Niveau die Zoologischen Gärten Berlin und die Berliner Forschungseinrichtungen arbeiten und kooperieren", lobt Zoo- und Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem die enge Zusammenarbeit zwischen Tierpark Berlin und Leibniz-IZW.



Weitere Meldungen

Präparat aus dem Tierkörper einer verstorbenen Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn; Bildquelle: Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

Neues Eisbär-Präparat im Naturhistorischen Museum Wien

Im Zuge der Vorbereitungen auf die Sonderausstellung "Arktis. Polare Welt im Wandel“ präsentierte das NhM ein neues Präparat aus dem Tierkörper einer verstorbenen Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn
Weiterlesen

Wurfnische in der Innenanlage der Eisbärenwelt; Bildquelle: Tiergarten Schönbrunn

Eisbären-Nachwuchs im Tiergarten Schönbrunn

Der Tiergarten Schönbrunn freut sich über Nachwuchs bei den Eisbären. Am 9. November ist das Weibchen Nora zum ersten Mal Mutter geworden. „Nora kümmert sich fürsorglich um ihr Jungtier
Weiterlesen

Nora im Zoo Tallinn; Bildquelle: Inari Leiman

Eisbärin Nora im Tiergarten Schönbrunn eingetroffen

Im Tiergarten Schönbrunn gibt es eine neue Bewohnerin: am 5. Dezember 2017 ist Eisbären-Weibchen Nora aus dem Zoo Tallinn (Estland) angekommen
Weiterlesen

Eisbär Knut als Dermoplastik im Museum für Naturkunde in Berlin; Bildquelle: Eisbär Knut

Das medizinische Erbe von Eisbär Knut

Knut ist 2011 in einem Wassergraben des Berliner Zoos ertrunken. Der Eisbär, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, hatte zuvor an Krämpfen gelitten
Weiterlesen

Eisbär Lars; Bildquelle: Zoo Wuppertal

Forscher entdecken neue Retroviren bei Eisbär Knut und Panda Bao Bao

Nach dem Tod des Eisbären Knut ergaben Untersuchungen am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), dass Knut wohl an einer durch Viren verursachten Gehirnentzündung litt
Weiterlesen

Tiergartendirektorin Dagmar Schratter mit dem Modell der neuen Eisbärenanlage im Tiergarten Schönbrunn; Bildquelle: Daniel Zupanc

Modell der neuen Eisbärenanlage im Tiergarten Schönbrunn

Eine naturnahe Landschaft, tiefe Tauchbecken und ein eigener Mutter-Jungtier-Bereich: Als Modell steht die neue Eisbärenwelt im Tiergarten Schönbrunn bereits, im Mai 2014 soll das „Franz Josef Land“ schließlich eröffnet werden. Die Außenanlage wird mit einer Gesamtfläche von 1.700 Quadratmetern fast dreimal so groß sein wie die alte
Weiterlesen

Eisbär Lars; Bildquelle: Zoo Wuppertal/Barbara Scheer

Springende Viren als Ursache von Erkrankungen von Eisbären im Zoo

Zoos beherbergen eine Reihe verschiedener Tierarten, die in freier Wildbahn nie aufeinander treffen würden. Gelegentlich kann dies unerwartete Folgen haben. Als im Jahr 2010 im Wuppertaler Zoo ein Eisbär starb und ein weiterer schwer erkrankte, waren Zootierärzte auf der Suche nach der Krankheitsursache ratlos
Weiterlesen

Eisbärenweibchen Tania ; Bildquelle: Norbert Potensky

Tiergarten Schönbrunn erhält bis 2014 neue Eisbärenanlage

Das Eisbärenweibchen Tania ist am 12.10.2011 im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes vom Tiergarten Schönbrunn in den Zoo Budapest übersiedelt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen